Martin Vosswinkel
erschienen 1997 anlässlich einer Einzelausstellung in der Art Gallery Stoke on Trent
Vorwort von Gérard A. Goodrow, Köln
Text: englisch/deutsch
Übersetzung: Stefanie Steindor
24 Seiten
14 farbige Abbildungen
Fotos: Joachim Fliegner, Uwe Fricke
Auflage 500 (vergriffen)
ISBN-Nr.: 300-001199-4
Ein Künstler braucht das Temperament eines Reporters,
eines Journalisten, aber in einem weiteren Sinne
des Wortes, so wie man es heute vielleicht vergessen hat.
Yves Klein, 1961
Mit diesen Worten liefert uns Yves Klein, der legendäre französische "Künstler der Leere" einen wichtigen Schlüssel für das Verständnis der rätselhaften Rolle des Künstlers - und sogar der Kunst selbst - in der zeitgenössischen Gesellschaft. Seine Serie von "Kosmogonien" (Abdrücke von Elementen aus der Natur und klimatischer Bedingungen auf Leinwand), die mit Trockenpigment präpariert sind, zeugt von den lebendigen Kräften der Natur und der kosmischen Realität des Lebens. Ohne dies zu beabsichtigen und ohne sich wirklich selbst dessen bewusst zu sein, hat Martin Voßwinkel Kleins Voraussetzungen für die Schaffung von Kunst erfüllt, das heißt Voßwinkel präsentiert uns wie Yves Klein, Spuren seines künstlerischen Schaffes und liefert uns dabei den Beweis für seine enge Verbundenheit mit der Natur als Mutter aller künstlerischen Medien.
Zusätzlich zu konventionellem, im Geschäft gekauftem Pigment, benutzt Martin Voßwinkel verschiedene natürliche Elemente für die Schaffung abstrakter Kompositionen, die sich ihrerseits auf Muster und Kombinationen aus der Natur beziehen. Wie schon Yves Klein vor ihm, ist Voßwinkel in einen engen Dialog mit der Natur eingetreten und benutzt Sand, Erde, Asche und oxydierte Metalle bei dem Versuch die Natur nicht zu imitieren, sondern vielmehr zu präsentieren und in ihrem eigentlichen Zustand zu erleben. Die dabei entstandenen Werke haben wenig mit Minimalismus oder Colour Field Painting zu tun; in Wirklichkeit könnte man das, was der deutsche Künstler hier geschaffen hat, viel eher als Maximalismus beschreiben. Er beschäftigt sich nicht mit dem Spiel der Formen als Formen oder der Wirkung von Farbe als Farbe - das heißt wir haben es nicht mit "Kunst um der Kunst Willen" in ihrer traditionellen Ausdrucksweise zu tun. Voßwinkel präsentiert uns, ganz im Gegenteil, "Kunst für Kunst", wobei die Kunst nicht vom Leben und der Natur zu unterscheiden ist, sondern vielmehr ein integraler Bestandteil von beidem ist. Kunst = Leben = Natur = Kunst.
"Ein starkes Thema meiner künstlerischen Arbeit in der Natur sowie in Installationen und meiner Malerei ist das Thema der Verbundenheit. Verbundenheit bedeutet für mich in diesem Zusammenhang nicht nur Vernetzung oder Kommunikation, sondern die Aufhebung des Getrennt-Seins und das Erschaffen eines Fundamentes, das eine neue Begegnung von Menschen mit der Natur, auch ihrer eigenen Natur ermöglicht."
Selten sind die Absichten eines Künstlers, egal wie nobel oder klar sie zum Ausdruck gebracht werden, so einfach und tatsächlich auch sofort in seinen Kunstwerken zu erkennen. Durch seine zutiefst persönliche Begegnung mit der Natur, wobei er nie seine eigenen Spuren hinterlässt, sondern es vielmehr der Natur überlässt, für sich selbst zu sprechen, hat Martin Voßwinkel den seltenen Zustand einer Symbiose mit seiner Umwelt erreicht. Es handelt sich nie um Ausnutzung der Natur, sondern eher um die Offenbarung ihrer inneren Strukturen und Vorgänge. Braun ist nicht nur eine Farbe, sondern ein Element der Natur. Rost ist nicht nur ein Pigment, sondern ein natürlicher Vorgang. Die Pigmentschichten auf Papier oder Leinwand sind keine Streifen, sondern sedimentäre Linien, Ausdruck des Lebenskreislaufes organischer und anorganischer Stoffe. Vosswinkels Medium ist nicht das Material der Natur als solches, sondern die Materie der Natur, ihr Wesen. Das ist es, was ihn mit Yves Klein verbindet, so wie mit verschiedenen Künstlern wie Joseph Beuys, Kasimir Malewitsch und Richard Long.
Jeder dieser Künstler ist mit den Worten von Yves Klein ein Journalist im weiteren Sinne des Wortes. Ihre Arbeiten sind Tagebücher von Begegnungen. Sie stellen die Vereinigung von Kunst und Leben dar; sie handeln nicht von der Kunst über die Kunst, sondern von der Kunst der Natur.
Gérard A. Goodrow, Köln
What an artist needs is the temperament of a reporter, a journalist,
but in a grand sense of these words,
perhaps forgotten today.
Yves Klein, 1961
With these words, Yves Klein, the legendary French "Artist of the Void", provides us with an important key to understanding the enigmatic role of the artist - indeed of art itself - in contemporary society. His series of "Cosmogonies", imprints of natural elements and climatic conditions on sheets of canvas prepared with dry pigment, bear witness to the vital forces of nature and the cosmic reality of life itself. Without intending it, indeed without even being conscious of it, Martin Voßwinkel has fulfilled Klein's prerequisite for making art, that is to say, like Klein, Voßwinkel presents us with traces of the production of his art and in doing so provides evidence to his intimate relationship to nature as the mother of all artistic media.
In addition to conventional, store-bought pigments, Martin Voßwinkel uses various natural elements to create abstract compositions which, in turn, refer back to patterns and constellations found in nature. Like Yves Klein before him, Voßwinkel has entered into an intimate dialogue with nature, employing sand, earth, ashes and oxidised metals in an attempt not to illustrate nature, but rather to present and bear witness to its very state of being. The compositions which result have little to do with Minimalism or Colour Field Painting; indeed, what the German artist has accomplished here is best described as Maximalism. He is not concerned with the play of forms as forms or the effects of colour as colour - that is to say, we are not dealing with "art for art's sake" in the traditional sense of the expression. On the contrary, Voßwinkel presents us with "art for the sake of art", whereby art cannot be distinguished from life and nature, but is rather an integral part of both. Art = Life = Nature = Art.
"A central theme of my artistic work in natural environments, as well as in my installations and paintings, is the theme of solidarity or connection. In this context, connection means for me not only being connected; it is more than mere communication, it is the suspension of separate-ness and the creation of a foundation to facilitate a new encounter between man and nature, between man and his own nature." It is seldom that the intentions of an artist, regardless of how noble or clearly stated, are so easily, indeed immediately legible in his works of art. Through his deeply personal encounters with nature, whereby he never leaves his own mark, but rather allows nature to speak for itself, Martin Voßwinkel has achieved a rare state of symbiosis with the world around him. It is never an exploitation of nature, but rather a revelation of its inner structures and processes. Brown is not just a colour, but an element of nature. Rust is not a pigment, but a natural process. The layers of pigment on paper or canvas are not stripes, but sedimentary lines, the evidence of the life cycle of organic and inorganic matter. Voßwinkel's medium is not the material of nature as such, but rather the materia of nature, its being. This is what he shares with Yves Klein, as well as with artists as varied as Joseph Beuys, Kazimir Malevich and Richard Long. Each of these artists is, in the words of Yves Klein, a "journalist in the grand sense of the term". Their works are journals of encounters. They represent the unification of art and life; they are not art about nature, but rather the art of nature.
Gérard A. Goodrow, Cologne - Translation: Stefanie Steindor